Die Royal Oak war der erste Zeitmesser, der als High-End-Sportuhr konzipiert war. Seitdem hat sie ihre ästhetischen Codes immer wieder neu erfunden und in jeder Epoche ihre unverkennbaren Spuren hinterlassen. Inzwischen umfasst die Kollektion mehr als 500 Modelle. Rückblick auf fünf Jahrzehnte kreativen Designs.

50 Jahre später gibt es über 500 Royal Oak-Modelle. Sie haben diese einst revolutionäre Uhr in einen Klassiker verwandelt, der als fester Bestandteil unserer Kultur weit über die Uhrmacherkunst hinaus bekannt ist.

Die erste Royal Oak (1972) von Audemars Piguet

Vor genau 50 Jahren stellte Audemars Piguet die Konventionen der Uhrenbranche auf den Kopf: mit der Royal Oak (Modell 5402), der ersten sportlichen Luxusuhr aus Stahl. Das Gehäuse war vollständig von Hand verarbeitet und beherbergte das dünnste Automatikuhrwerk mit Datumsfunktion ihrer Zeit (Kaliber 2121).

Die Royal Oak ist eine Luxusuhr, die zum Lebensstil ihres Trägers passt – nicht umgekehrt. Was in unseren Ohren heute fast schon banal klingt, war zu Beginn der 1970er Jahre nicht unbedingt selbstverständlich. Die Kluft zwischen Sportuhren und eleganten Uhren erschien zwar unüberwindlich, doch im Zuge des damaligen kulturellen Umbruchs neigte man generell dazu, alle Unterschiede abzuschaffen. 

Aus derartigen Überlegungen ging auch das Konzept der Royal Oak hervor: Die Uhr sollte ebenso sportlich wie elegant sein und zum modernen Lifestyle passen. Die revolutionäre Linienführung, die Gérald Genta in einer Nacht aufs Papier zauberte, erwies sich als so erfolgreich, dass sie sich als Erkennungsmerkmal für die nächsten 50 Jahre durchsetzen sollte.

Die erste Weiterentwicklung wurde vier Jahre später vorgestellt und von einer Frau – Jacqueline Dimier, der damaligen Leiterin für Produktdesign bei Audemars Piguet – für Frauen entworfen. Dimier stellte sich dabei der Herausforderung, die Proportionen von Gérald Gentas Original zu verkleinern: Das neue Modell 8638 besaß einen Durchmesser von nur 29 mm. 1977 wurde dann das Modell 4100 eingeführt, das all jene ansprechen sollte, die die 5402 für schlankere Handgelenke als unpassend empfanden. 

Auch dieses 35-mm-Gehäuse wurde von Jacqueline Dimier entworfen und sollte neue Märkte erobern, die sich der so genannten „Jumbo“ mit ihren 39 mm Durchmesser noch verschlossen hatten. Gleichzeitig tauchten im Katalog erste Versionen aus Gold sowie Bi-Color-Varianten auf. So wurde aus dem einzigartigen Zeitmesser aus Stahl schließlich eine komplette Kollektion.

Von 1977 bis 1981 entstanden mehr als 27 neue Referenzen in vielen verschiedenen Größen, für Herren und für Damen, angetrieben von sieben verschiedenen Kalibern und mit vielfältigen Zifferblättern, manchmal auch ohne Tapisserie. Die erste Royal Oak mit Quarzwerk wurde 1980 eingeführt. 

Royal Oak (1984) von Audemars Piguet

Die erste Royal Oak mit ewigem Kalender (Modell 5554), entworfen von Jacqueline Dimier im Jahr 1984, wurde schon bald in einer Bi-Color-Version herausgebracht, die 18-karätiges Gelbgold und Stahl miteinander kombinierte.

Die neue Technologie war anfangs den Damenmodellen vorbehalten, kam jedoch zwei Jahre später auch in der Herrenkollektion an. Innerhalb von zehn Jahren wurden fast sechzig Royal Oak-Quarzuhren gelauncht, in denen sechs verschiedene Kaliber tickten. Um die Mitte der 1980er Jahre stellten Quarzuhren bereits fast die Hälfte der Royal Oak-Kollektion. Danach sollte ihr Anteil jedoch wieder sinken. 1983 waren die meisten Royal Oak-Modelle auf einen Durchmesser von 36 mm angewachsen, und im Katalog feierte das erste Modell mit Komplikation Premiere: Auf das Modell 5572 mit Wochentags- und Datumsanzeige sollte bald die Royal Oak mit dreifachem Kalender folgen, die auch mit einer Mondphasenanzeige erhältlich war. 

Die erste offen gearbeitete Version wurde 1986 enthüllt: Es handelte sich um ein Modell aus Gelbgold mit ewigem Kalender, das den ersten Saphirglasboden der Kollektion besaß. Über zehn Jahre nach ihrer Ersteinführung spielte die Royal Oak also bereits eine zentrale Rolle beim Comeback der klassischen Komplikationen, und das sollte sie auch in den kommenden Jahrzehnten tun.

Royal Oak (1997) von Audemars Piguet

Die erste Royal Oak mit Tourbillon (Modell 25831) wurde 1997 anlässlich des 25. Geburtstags der Kollektion vorgestellt. Sie hatte eine achteckige Öffnung bei 6 Uhr, die die berühmte Form der Lünette aufgriff. Anders als andere Royal Oak-Modelle hat diese Uhr keine sichtbare Krone an der Seite des Gehäuses.

1992 präsentierte die Manufaktur anlässlich des 20. Geburtstags seines Flagship-Modells die Referenz 14802. Es handelte sich um die erste limitierte Edition der Kollektion, die auf 1000 Exemplare begrenzt war und eine Hommage an die ursprüngliche „Jumbo“ aus dem Jahr 1972 darstellte. Im selben Jahr erschien eine Version mit Lederarmband – eine bemerkenswerte Neuerung.

1993 krempelte die Royal Oak Offshore mit ihrem imposanten 42-mm-Gehäuse die Uhrenbranche komplett um. Ihre Verwandtschaft mit der Royal Oak von Gérard Genta ließ sich nicht leugnen, und doch stellte sie eine Art Neustart dar. Das von Emmanuel Gueit entworfene Modell konnte mit mehreren Innovationen aufwarten: Die Bandanstöße waren ab sofort gewölbt, unter der Lünette war eine eindrucksvolle schwarze Versiegelung zu erkennen, und Krone sowie Drücker waren mit Kautschuk verkleidet. Die mit einem Chronographen ausgestattete Royal Oak Offshore war deutlich sportlicher ausgelegt und begeisterte eine abenteuerlustige junge Generation. Ihr offensichtlich männliches Design sollte in der Uhrenbranche zahlreiche Nachahmer finden.

Doch Audemars Piguet vergaß auch sein weibliches Publikum nicht und stellte 1997 die Royal Oak Mini (20 mm Durchmesser) vor. Die Damenkollektion war bereits einige Jahre zuvor durch skelettierte Uhren und Modelle mit Edelsteinbesatz ergänzt worden. 

1998 krönte die erste Royal Oak Openworked die Schmuckuhren-Reihe. Gehäuse, Armband und Zeiger bestanden aus Weißgold und waren vollständig mit insgesamt 446 Diamanten besetzt. Mit einem einzigen Modell bewies Audemars Piguet, dass es möglich war, hohe Uhrmacherkunst und Juwelierstradition mit entschieden zeitgemäßem Design zu verschmelzen.

Anlässlich des 25. Geburtstags der Royal Oak wurden drei neue Modelle mit Komplikationen eingeführt: die Royal Oak Tourbillon (40 mm),
ein Chronograph (39 mm) und die allererste Royal Oak Grande Complication (44 mm), die die seit 1875 bestehende Tradition der Exzellenz fortführte.

Im Jahr 2000 war die 15202 die vierte Royal Oak, die auf den Namen „Jumbo“ hörte und damit die Nachfolge der ursprünglichen Referenz 5402, der limitierten Jubiläums-Edition 14802 aus dem Jahr 1992 sowie der 15002 aus dem Jahr 1996 antrat. In der Millenniums-Version wurden die Codes der 5402 sehr viel freier interpretiert als bei den beiden Vorläufermodellen. 

Royal Oak (2000) von Audemars Piguet

Das Modell Tradition of Excellence No. 4 (25969) mit Kaliber 2893 wurde 2004 eingeführt. Dieser Chronograph mit Handaufzug, Tourbillon und einer Gangreserve von zehn Tagen war auf 20 Exemplare limitiert.

Davon zeugen vor allem ein Saphirglasboden sowie ein Zifferblatt mit Grande Tapisserie-Motiv, diesmal in der Nuance Silber. Diese Rückkehr zu den Ursprüngen beeinträchtigte die avantgardistische Technik und den fortschrittlichen Charakter des Designs in keiner Weise. Dies wurde bei der Präsentation der Royal Oak Concept im Jahr 2002 klar, die sich direkt von den radikalsten Concept Cars dieser Zeit inspirieren ließ. Das 44-mm-Gehäuse wurde von einer Lünette aus Titan überragt und war aus einer Legierung aus Alacrit und Kevlar geschnitten. 

Damit konnte der Innovationsgeist noch tiefer in der DNA der Royal Oak verankert werden. Die 2000er Jahre waren zudem von der Einführung mehrerer limitierter Editionen der Royal Oak geprägt, an denen hochkarätige Sportler und VIPs aus unterschiedlichen Branchen (Musik, Kino, Entertainment) teilnahmen.

Model mit Royal Oak 16204OR von Audemars Piguet / Royal Oak (2016) von Audemars Piguet

Die außergewöhnliche Geschichte der Royal Oak beweist, auf welch einzigartige Art und Weise es diesem Zeitmesser immer wieder gelingt, grundverschiedene Welten einander anzunähern. Als Kreuzung zwischen Kreation, Kunst, Sport, Innovation und Kunsthandwerk geht sie immer neue Wege und bleibt doch eine Ikone des modernen Designs. Oben: die neue Royal Oak „Jumbo“ Openworked von 2022 (Modell 16204) in Roségold. Rechts: Die 2016 herausgebrachte Royal Oak Double Balance Wheel Openworked 41 mm (Modell 15407) führt das patentierte System mit doppelter Unruh ein.

Nach den spektakulären, futuristischen und häufig imposanten Kreationen des vorangegangenen Jahrzehnts erreichte die Royal Oak nach 2010 gewissermaßen das Reifestadium. Die „Jumbo“ 15202 ging 2012 mit einer retrospektiven Ausstellung auf Weltreise und präsentierte sich mit einem blauen Zifferblatt, das dem von 1972 mit seinem Petite Tapisserie-Muster und dem AP-Monogramm bei 6 Uhr wieder näher kam: die Referenz 15400 mit ihrem Durchmesser von 41 mm verstärkte die Kollektion von 2012.

2016 beauftragte die Manufaktur Carolina Bucci anlässlich des 40. Geburtstag der Kollektion mit der Aktualisierung des ersten Royal Oak-Damenmodells. Die italienische Schmuckdesignerin führte eine neue Variante der auch als Florentiner Technik bekannten Goldhämmermethode ein, die den Oberflächen einen „Frosted“-Look verleiht – darauf bezieht sich auch der Name „Royal Oak Frosted Gold“.
2018 erlebten die bimetallischen „Jumbo“-Varianten, um die es seit den 1980er Jahren still geworden war, ein Comeback. Im selben Jahr führte Audemars Piguet mit der Royal Oak Perpetual Calendar Ultra-Thin die flachste Automatik-Armbanduhr mit ewigem Kalender der Welt ein. Ein Geniestreich, der dem 50 Jahre zuvor von Gérald Genta ersonnenen Konzept alle Ehre machte und einer neuen Generation von Royal Oak-Modellen den Weg ebnete.

- Von Bertrand Waldbillig